Donnerstag, 15. September 2005

15.09.05

Von: Tanja.Dopf@web.de [mailto:Tanja.Dopf@web.de] Gesendet: Freitag, 16. September 2005 00:14
Betreff: 15.09.05

Hallo,
hier mal eine erste Meldung vom Starnberger See, wo Marcus und ich es uns gut gehen lassen.

Der Termin an der Uniklinik war für mich okay. Prof. Bunjes hat mich bzw. uns sehr gut beraten und informiert. Letztenendes hat sich die Situation dadurch aber kaum verändert.
Es gibt die Möglichkeit die Krankheit im Moment durch die Chemotherapie zurückzudrängen, lange wird dies aber nicht anhalten. Auf Grund der zytogenetischen Untersuchung kann man davon ausgehen, dass dies für max. 5 Jahre helfen kann.
Die autologe Stammzellentransplantation (Transplantation mit eigenen Stammzellen) kann die Krankheit etwas länger zurückdrängen. Lt. Prof. Bunjes sind nach seiner Erfahrung alle autolog Transplantierten innerhalb von 5-8 Jahren wiedergekommen, weil sich die Krankheit wieder gezeigt hat.

Und dann eben die allogene Stammzellentransplantation (SZT), die eine Chance der scheinbaren Heilung birgt. Scheinbar deshalb, weil es noch keine Langzeiterfahrung hierzu gibt. Bei 67% der behandelten scheint dies der Fall zu sein. Bei 80% scheint die Behandlung ohne größere Probleme zu verlaufen. Bei 10% musste ein Rückfall festgestellt werden und weitere 10% verstarben auf Grund von aufgetretenen Folgeerscheinungen der Transplantation (dazu gehören schwer verlaufende Lungenentzündungen oder sonstige Infektionen, die von außen oder gar von innen kommen, die noch im Körper „geschlummert“ haben).

Auf einen Nenner gebracht kann ich mich entscheiden zwischen dem risikoreichen Weg der allogenen Stammzellentransplantation, der Chancen und Risiken mit sich bringt oder
Ich verschaffe mir durch eine der zwei ersten Behandlungsmöglichkeiten zumindest ein paar „ungefährliche“ (aber nie gesunden) Jahre, die mir fehlen würden, sollte es bei der ersten Möglichkeit zum Schlimmsten kommen.

Nur Chemotherapie ist mir zu wenig, da kann es auch schon nach zwei Jahren zu einem Rezidiv (Rückfall) kommen und ich würde eigentlich die ganze Zeit genau das befürchten.
Die autologe SZT bringt mindestens genauso viele Strapazen (nicht Gefahren) mit sich wie die allogene SZT und ob sich das für 5-8 Jahre lohnt?

Die allogene Stammzellentransplantation ist daher der Weg, den ich gehen möchte.

Die wichtigsten Gründe für meine Entscheidung:
- die Voraussetzungen für einen risikoreichen Eingriff sind jetzt am Besten. Habe eine tolle, gesunde Familie hinter mir, die mich mit allen Möglichkeiten unterstützt. Habe einen tollen Freund, der alle Entscheidungen mitträgt, mich tröstet, aufmuntert und mir einfach gut tut. Meine Gesundheit ist ansonsten noch nicht durch diverse Behandlungen oder Krankheiten geschädigt und mein Bruder als geeigneter Spender ist gesund und munter und bereit zur Spende. Und Ihr drückt mir alle die Daumen. Ich weiß nicht, wie die Situation in 5-8 Jahren aussieht oder noch später, wenn ich dann tatsächlich nicht mehr um diese Behandlung rumkomme.

- Die Strapazen bei einer autologen SZT sind die gleichen, wenn nicht gar noch höher. Laut Prof. Bunjes handelt es sich bei der allogenen SZT um eine so genannte Mini-Transplantation bei der keine Ganzkörperbestrahlung eingesetzt wird, auch die Chemotherapie ist nicht ganz so hochdosiert wie bei einer „normalen“ Transplantation. Bei der autologen SZT müsste ich genau dies mitmachen.


Noch ein Zusatz zum Verständnis: dass mein Bruder als Spender passt, hat den Vorteil, dass die Abstoßungsreaktion des Transplantates (gibt es bei jeder Tranplantation) geringer oder gar nicht auftreten kann. Es kann dabei aber auch passieren, dass die Möglichkeit der Heilung erstmal nicht eintritt, da auch seine Stammzellen die Tumorzellen als solche nicht bekämpfen. Die Infektionsgefahr und die damit verbundene Gefährdung lässt sich dadurch aber nicht vermeiden.

Wie geht’s weiter?
Ich bekomme am Montag die 3. Chemobehandlung stationär in Karlsruhe, so dann wird alles in die Wege geleitet. Sobald die Blutwerte wieder auf „Normalstand“ sind, werde ich in Ulm angemeldet und werde dort stationär aufgenommen. Eine Woche wird ungefähr für die Voruntersuchungen benötigt. Dann werden 5 Tage Chemotherapie gegeben und den darauf folgenden Tagen werde ich dann wohl das Transplantat also die Stammzellen meines Bruders erhalten. Danach wird „gewartet“ bis sich diese Ansiedeln und vermehren und sich mein Immunsystem wieder aufbaut. Der stationäre Aufenthalt dauert je nach Verlauf zwischen 3-4 Wochen.
Danach wird ständig kontrolliert und überwacht, dauert 3 – 6 Monate, eventuell folgt dann noch eine 4wöchige Reha-Behandlung. Je nach Wert kann es dann wieder langsam mit dem „normalen“ Leben losgehen.

Habe von dort auch noch einige schriftliche Informationen bekommen, die ich schon durchgearbeitet habe. Wie es scheint, ist sogar die Technik dort vorhanden um mein Laptop richtig benutzen zu können.


Das reicht Euch bestimmt mal fürs erste. Mir geht’s soweit gut, genieße unseren Aufenthalt am Starnberger See bis Samstag, denke an die Chemo am Montag und in wieder weiterer Entfernung an das, was dann in Ulm auf mich zukommt. Es ist zuweilen immer noch unreal.

Vielen Dank für die Mails und fürs Daumendrücken, leider will ich Euch davon noch nicht befreien J

Ganz liebe Grüße
Tanja